Vor ein paar Tagen habe ich realisiert das mein Rucksack und ich eine Einheit sind.

Ich dachte über meinen Besitz nach und schaute auf mein Rucksack und dachte: „Das ist also alles was ich besitze?“ bis es mir nach einigen Sekunden dämmerte dass ich natürlich zuhause noch viele andere Dinge habe.
Als ich vor ein paar Wochen in USA war und im Flughafen von Palm Springs auf meinen Flug gewartet habe und mir einen Kaffee bei Starbucks holte, begrüsste mich die ältere Dame hinter Theke freundlich mit „Hi Girl, who looks like she has her hole life on her back.“ Ich musste ein wenig schmunzeln, habe es aber innerlich abgetan. Natürlich hatte ich nicht mein ganzes Leben auf meinem Rücken. Doch vor ein paar Tagen störte mich der Gedanken im Gegensatz wie vor ein paar Wochen überhaupt nicht mehr. Und wenn es so wäre? Das in meinem Rucksack alles wäre was ich besitze? Wäre das so schlimm?
Mein Rucksack und ich sind schon so sehr verwachsen, dass er mittlerweile im Café auf dem Stuhl gegenüber mir sitzt. Obwohl Rucksäcke so viel komfortabler und unkomplizierter als Koffer sein können, sobald sie auf dem Boden stehen wird es einfach nur noch mühsam. Also sitzt mein Rucksack – sie trägt den Namen Eva – auf dem Stuhl gegenüber mir. Das muss ein komisches Bild von aussen abgeben aber mich stört es nicht mehr. Weil mein Rucksack ist ja auch mein konstanter und treuer Begleiter auf meinen Reisen und hat somit einen Platz am Tisch verdient.

Dieser Wandel von Mensch und Rucksack zu Mensch mit Rucksack kam erst in den letzten Wochen. Ich denke ich war in Teneriffa als ich realisierte, dass mir dieses längere Reisen plötzlich als normal erscheint. Ich bin so sehr in diesem Rhythmus des Reisens, dass es für mich schon wieder Alltag ist. Dieser Gedanke „Es ist nur ein Urlaub, danach kommt wieder die Arbeit“ rückte in den Hintergrund. Zu sehr habe ich meinem Rhythmus mit Schreiben, Podcasten und Spazieren gefunden. Zu sehr geniesse ich diese Freiheit mich an einen Strand zu begeben und auf einem Felsen meine Podcast aufzunehmen oder wie jetzt auf einer Parkbank in Lissabon zu sitzen und diesen Text zu schreiben.

Doch was heisst das für meine Zukunft? Wenn dieses Gefühl da ist, dass ich das öfters machen will und mich der Gedanke an eine 50-Stunden-Woche und sechs Wochen Jahresurlaub in einer Agentur erschaudern lässt?

Es gibt es ja dieses Phänomen „Digital Nomad“; all diese jüngeren Menschen, die durch Südostasien reisen und von ihren Social Media Kanäle und digitaler Arbeit leben. Ich habe schon vor einiger Zeit das für mich entdeckt und folge so manchen Menschen online, der von seinem Leben berichtet. Der Gedanke aber an sich es 365 Tage rumzureisen fand ich immer zu radikal und in sich zu abschreckend.
Das hat sich an sich nicht fundamental geändert, aber hat eben diese Reisen und das Zusammenwachsen mit meinem Rucksack bewiesen, dass für mich ein klassischen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis für mich auch nicht mehr in Frage kommt. Da kann man noch mit einer verglasten Agentur mit Jura-Maschinen auf jeder Etage kommen und mit einer Sommer- und Winterfest, die Vorstellung die ganze Zeit in einem Büro zu sein ist für mich mittlerweile ein Gefühl des eingesperrt zu sein.

In meiner optimalen Vorstellung kann ich zwischen Projekten und Anstellungen meinen Rucksack nehmen und einfach von unterwegs arbeiten. Ich hätte dann immer noch ein Zuhause vermutlich in Deutschland (die Digital Nomad nennen das homebase), ein co-operativer Arbeitsplatz (also ein Studio oder Atelier mit jemand anderen Gleichgesinnten) und könnte zwischen dem Arbeiten von unterwegs und dem Arbeiten vor Ort wechseln. Wenn ich etwas während meinen Reisen realisiert habe, dass ich mich noch viel zu jung fühle um irgendeine Art und Weise sesshaft zu werden und meine erste Hypothek aufzunehmen und mir meine erste Makenwaschmaschine zu kaufen.

Darauf läuft ja auch unsere Arbeitsmentalität heraus: immer wie mehr entstehen Jobs und Möglichkeiten seine Arbeit eben nicht mehr fest von einem Büro, sondern von zuhause oder unterwegs auszuüben. Gerade in der Medienbrache ist das keine Ausnahme mehr sondern viel mehr die Regel, dass eine Anwesenheit vor Ort nicht dauerhaft notwendig ist. Mitspielen muss letztendlich der Arbeitgeber oder man ist von vornerein selbständig.

Was bedeutet das nun für mich? Ich stehe ja gerade mal Anfang meines Studiums, aber eben nicht am Anfang meines Lebens. Ich habe bis jetzt immer in einem klassischen Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis gearbeitet und hatte meine vier bis sechs Wochen Jahresurlaub. Doch das ist für mich nicht mehr attraktiv, weil ich war im Genuss von einem geregelten Alltag und damit auch einem geregelten Einkommen und das ist bei allen Problemen und Schwierigekeiten, die ich unterwegs erlebe, einfach nicht gleichwertig wie dieses Gefühl heute auf dieser Parkbank in Lissabon. Dieses unglaubliche Gefühl von Freiheit – und einer wärmenden Sonne im Januar – und nicht in einem sterilen Büro in einem anonymen Hochhaus mit tausend Angestellten zu sein. Es ist wie ein modernes Cowboydasein; statt mit Pferd und Sattel ist der Digital Nomad mit Laptop und Rucksack unterwegs immer auf der Suche nach Arbeit und Abenteuer.

 

Ich wusste immer das diese Reisen in den USA und in Europa prägen wird, was ich aber erst jetzt realisiere ist, wie sehr es meine bestehenen Ahnungen zu Gewissheit macht. Das ist so prägend, dass ich mich frage warum ich es denn überhaupt versuchen soll einer dieser tausend Angestellten zu sein, wenn dieses Leben für mich keine Zukunftsperspektive hat. Das erfordert Mut und ein größeres Risiko als ein reguläres Arbeitsverhältnis und das schreckt sicherlich viele ab. Ich für meinen Teil sage ich mir immer selbst, wenn ich Zweifel kriege ob ich dieses Risiko nehmen soll, dass ich dann auch gleich hätte in der Bibliothek weiter arbeiten können. Was nützt es mir auf dem halben Weg plötzlich kalte Füsse zu kriegen und auf sicher zu spielen? Simpel: gar nichts.
Wenn ich wirklich mal dieses Gefühl haben sollte wieder sesshaft zu werden mit einem geregelten Alltag und Einkommen dann kann ich das immer noch mit 40 tun. Als eine Frau ohne Heirats- und Familienpläne ist das nämlich durchaus realistisch und für eine Vertreterin der Generation Y quasi ein normaler Lebenswandel.